„Man muss auf die Repression von Antisemitismus setzen“

Die deutsche Antisemitismusforscherin Monika Schwarz-Friesel gehört seit vielen Jahren zu den Mahnerinnen, die aufzeigen: Die Judenfeindlichkeit ist nicht nur weiter da, sie nimmt auch zu. Gerne wurden solche Stimmen in den vergangenen Jahren als Alarmismus abgetan. Der 7. Oktober 2023 und alles, was er weltweit auslöste, gab ihr leider Recht. Anfang Mai war Schwarz-Friesel im österreichischen Parlament zu Gast. WINA bat die Expertin zum Gespräch.

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Monika Schwarz-Friesel bei ihrer Rede im österreichischen Parlament Anfang Mai dieses Jahres. © Parlamentsdirektion/Johannes Zinner

WINA: Bei einer Rede im österreichischen Parlament Anfang Mai ließen Sie neben dem Antisemitismus von rechts, von links und von muslimischer Seite mit einer vierten Kategorie aufhören: dem Feuilleton-Antisemitismus. Wer verbreitet ihn, und wie zeigt er sich?
Monika Schwarz-Friese: Feuilleton-Antisemitismus nenne ich den gebildeten, akademischen Antisemitismus, der dann tatsächlich eben auch in den Feuilletons der Mainstream-Presse reproduziert wird. Da sitzen, was meine Forschungen zeigen, die Ideengeber beziehungsweise Brandstifter. Das ist aber nichts Neues. Wenn wir uns 2.000 Jahre Judenfeindschaft anschauen, dann kamen die Phantasmen über die Juden und das Judentum immer von Hochgebildeten. Das wurde dann auf die Straße getragen, die meisten Menschen konnten ja früher nicht lesen und schreiben. Und das ist heute nicht anders. Es sind die Professoren, die Akademiker, die Publizisten, es sind die Künstler, die Akademievertreter. Und es sind natürlich auch die Medien, die die kruden antisemitischen Phantasmen oft völlig unkritisch reproduzieren und an ein Millionenpublikum verbreiten.

Relevant sind in diesem Kontext die Postkolonial-Studien – das ist in den USA so, in Deutschland und auch in Österreich. Eigentlich waren die PostkolonialStudien seinerzeit richtig, wichtig und gut, weil sie das Unrecht, das in der Kolonialzeit in Bezug auf Rassismus und Unterdrückung von bestimmten Völkern oktroyiert wurde, aufgedeckt haben. Aber dann gab es einen Peak, der in eine kognitive Pervertierung umschlug, wo sich dann diese zunächst berechtigten Postkolonial-Studien auf Israel konzentrierten und auch auf Erinnerungskultur. Und da fing es an, geschichtsverfälschend zu werden und auch antisemitisch.

Die Shoah wird natürlich massiv relativiert, wenn man versucht, was hanebüchen ist, sie in eine Reihe mit Kolonialverbrechen zu stellen. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Das sage nicht nur ich. Es gibt mittlerweile viele Stimmen, beispielsweise die Historiker Yehuda Bauer und Saul Friedländer, die darauf hingewiesen haben. Der zweite Punkt ist, dass Israel in diesem Zug als Kolonialstaat diskreditiert wurde. Es wird also allen Ernstes die These aufgestellt, die Palästinenser seien die indigene Bevölkerung und Israel habe als Usurpator das Land der Palästinenser übernommen. Und das glauben jetzt diese dummen, naiven Menschen, die auf der Straße antisemitische Parolen grölen wie „Israel is not real“.

Der Feuilleton-Antisemitismus steht also in Zusammenhang mit den Thesen des Postkolonialismus-Aktivismus?
I Ja, und das geht in ganz krude Derealisierung und Realitätsverzerrung hinein. Ich denke an den australischen Historiker Dirk Moses, der sich mit Genoziden auseinandersetzt und auch im deutschsprachigen Raum in den Medien Gehör gefunden hat. Er hat zum Beispiel geschrieben, dass Deutschland eigentlich einem Philosemitismus anhängen würde. Die Realität zeigt aber, dass das Gegenteil der Fall ist. Und deshalb, so Moses, würde die Shoah praktisch sakralisiert und ihr ein besonderer Sockelstatus gegeben. Er rüttelt damit an der Präzedenzlosigkeit der Shoah. Das ist brandgefährlich, weil junge Menschen das womöglich glauben – schließlich kommt es von einem Experten.

Moses scheint auch überhaupt nicht zu wissen, dass vor 25 Jahren genau diese Thesen schon aus dem rechtsradikalen und rechtspopulistischen Diskurs kamen. Exakt so formuliert. Ich habe damals mit meinen Studierenden einen Rechtspopulisten analysiert, der unter dem Titel Der Holocaust ist an die Stelle Gottes getreten publiziert hat. Das war genau diese Sakralisierungsthese. Und wenn das nun von den Feuilletons aufgegriffen und veröffentlich wird, ohne dass es Protestnoten oder Richtigstellungen von Journalisten gibt, dann haben wir Feuilleton-Antisemitismus.

„Ich habe das immer wieder in Stichproben
überprüft: Kein Land der Welt wird so heftig
und so oft kritisiert, auch in der Presse, wie Israel.“
Monika Schwarz-Friesel

Auch heute fällt auf, dass sich so unterschiedliche Bewegungen wie Antiimperialisten und Dschihadisten im Antisemitismus treffen. Wie erklären Sie sich, dass so verschiedene Weltbilder dann doch überlappende Elemente aufweisen?
I Das ist genau das Problem. Eigentlich überschneiden sie sich ideologisch überhaupt nicht. Die Linken stehen für Offenheit, für Wokeness, für Identitätspolitik und die Islamisten für genau das Gegenteil. Aber das Interessante ist eben, dass sich beide im Feindbild Israel treffen.

Was gerade seitens linker Gruppen aufgefallen ist, war das Schweigen nach dem 7. Oktober, beispielsweise von feministischen, aber auch von Friedensgruppierungen. War das in dieser Form erwartbar für Sie?
I Ja, dieses dröhnende Schweigen. In der Tat ist das ja auch mit Entsetzen aufgenommen worden, dass angesichts dieser furchtbaren Verstümmelung und Folterung und brutalstmöglichen Vergewaltigung ausgerechnet die feministischen Gruppen, die sonst bei jedem kleinsten Verstoß die Stimme erheben, schwiegen. Ich habe befürchtet, dass es zu einer antisemitischen Flutwelle kommen könnte. Ich warne eigentlich seit Jahren davor. Die Antisemitismusforschung sagt, da breitet sich etwas in der Mitte der Gesellschaft wieder aus auf eine Art und Weise, wie wir es zuletzt im 19. und frühen 20. Jahrhundert gehabt haben, dass es eben nicht nur der rechte und dumpfe Judenhass von Extremisten, Dummen und Ignoranten ist, sondern dass die Intellektuellen mitmachen und dass sie tatsächlich an dieses Phantasma glauben, sie würden auf der richtigen und der guten Seite stehen und dass Israel ein Verbrecherstaat sei. Es kam für mich also nicht überraschend, aber emotional doch mit einer unglaublichen Wucht der Erschütterung. Man kann etwas wissen und antizipieren als Forscherin, und trotzdem ist man als Mensch tief erschüttert, wenn es eintritt.

Es ist aber auch ein anderes Phänomen zu beobachten: Das beherrschende Moment in der öffentlichen Debatte und in der Berichterstattung ist seit Monaten der Krieg in Gaza. Die Geschehnisse des 7. Oktober bleiben oft unerwähnt. Hat Sie die rasche Täter-Opfer-Umkehr überrascht?
I Leider beobachten wir diese Täter-Opfer-Umkehr schon seit über 20 Jahren. Aber auch hier gilt: Wie reagiert man hier kognitiv mit dem Verstand und wie emotional? Das kann man nicht immer unter einen Hut bringen. Was mich schon erschüttert hat, war, wie weit das in hochgebildete Kreise hineingeht, in die Akademien, in die Professorenschaft, dass sie völlig ausblenden, was der Grund für den Gazakrieg war. Und das, obwohl die Hamas seit Jahren auf ihrer Charta hat, dass Israel ausgelöscht werden soll, und man davon ausgehen kann, dass sie mit diesen Pogromen und ihrer unglaublichen Brutalität auch einkalkuliert hat, dass Israel scharf reagieren muss. Aber das wird völlig vom Tisch gefegt. Wir warnen in der Forschung vor diesen furchterregenden Dimensionen, aber manchmal habe ich wirklich das Gefühl, wir sind die Mahner in der Wüste.

„Man kann etwas wissen und antizipieren als Forscherin, und trotzdem ist man als Mensch tief erschüttert,
wenn es
eintritt.“
Monika
Schwarz-Friesel

In Gesprächen zum aktuellen Krieg werden Phrasen benützt wie, man müsse Israel doch kritisieren dürfen, es stimme doch, die Palästinenser seien nicht wirklich frei, man müsse alles im Kontext sehen, man dürfe die Nakba nicht vergessen. Sätze beginnen mit den beiden Worten „aber Netanjahu“. Ist das einfach nur ein normaler Austausch von Argumenten oder bereits Antisemitismus?
I Das folgt tatsächlich der Argumentationsstruktur des uralten Antisemitismus. Genau solche Argumente gab es schon im 19. Jahrhundert. Man denke da zum Beispiel an die Antisemitenpetition, als Juden und Jüdinnen in Deutschland 1871 durch die Reichsgründung endlich Bürgerrechte bekamen. Das kam auch aus der Mitte der Gesellschaft. Man denke an den Berliner Antisemitismusstreit. Heinrich von Treitschke war seinerzeit der bekannteste Berliner Geschichtsprofessor, und er hat eigentlich diese Argumente alle schon gebracht. Natürlich existierte der Staat Israel nicht. Aber es hieß, wir haben nichts gegen die Juden in Deutschland, aber dann sollen sie bitteschön auch wirklich Bürger werden und ihr Judentum aufgeben. Diese Argumentation ist uralt, nur das wissen die meisten nicht oder wollen es nicht wissen. Oder auch die Kontextualisierung: Ja, das finde ich besonders entsetzlich, dass jetzt Kollegen und Kolleginnen von mir mit Professorentitel in der Presse solche Dinge schreiben wie, man müsse das Pogrom natürlich im Kontext der Politik Israels sehen. Das ist eins zu eins das alte antijudaistische Argument, das hervorgeholt wird, nur modern angepasst: Wenn den Juden etwas Schlimmes passiert, müssen wir uns anschauen, was sie vorher gemacht haben?

Monika Schwarz-Friesel lobt den aktuellen Umgang Österreichs mit diesem Thema und wünscht sich eine ähnlich deutliche Haltung auch in Deutschland. © Archiv / WINA

Man schiebt Juden also die Schuld an Attacken auf sie zu.
I Ja, das sind uralte Argumente und Phantasmen, die man nachlesen kann, die dokumentiert sind. Etwa die Behauptung, Juden stünden unter einem Meinungstabu und dürften nichts sagen. Das hat Wilhelm Marr schon vor über 100 Jahren eins zu eins in seiner antisemitischen Hetzschrift geschrieben. Juden machten seinerzeit im Kaiserreich nicht einmal zwei Prozent der Bevölkerung aus. Dennoch behauptete Marr, man dürfe in Deutschland nichts gegen das einflussreiche Judentum sagen, es gebe da diese Tabus und diese ominösen Drahtzieher. Dann ging es ins Verschwörungsphantastische. Exakt das Gleiche heute. Ich habe das immer wieder in Stichproben überprüft: Kein Land der Welt wird so heftig und so oft kritisiert, auch in der Presse, wie Israel.

Woran kann man festmachen, wann es sich nicht mehr um Israelkritik, sondern um Antisemitismus handelt?
I Zunächst halte ich das Kompositum „Israelkritik“ für falsch und problematisch und verwende es daher nicht. Es gibt ja auch nicht „Chinakritik“ oder „Türkeikritik“. Dieses Kompositum wird tatsächlich radikal nur für Israel benutzt. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Es ist eigentlich ganz einfach. Ich habe in Anlehnung an Nathan Scharanskis 3-D-Modell ein 4-D-Modell entwickelt. Das oberste D ist die Derealisierung. Wenn wir uns die Antisemitismen der Jahrhunderte bis zum heutigen Tag angucken, sehen wir immer: Hier findet ein Projektionsprozess statt, eine Derealisierung, also eine Realitätsverzerrrung. Die führt dann zu Dämonisierung, Delegitimierung, Doppelstandards. Ich nenne Doppelstandards auch unikalen Fokus, weil es auffällig ist, dass immer nur Israel im Fokus steht. Schauen Sie sich jetzt die Proteste unter Studierenden weltweit an. Wir haben so viele totalitäre Unrechtsregime, wir haben Teheran, den brutalen Krieg Russlands, den islamistischen Terror und die Hungerkatastrophe von Millionen von Menschen im Sudan, wir haben Menschenrechtsverletzungen in China, in der Türkei. Aber was treibt sie mit ihrem Hass und ihrer Verblendung auf die Straße? Der kleine demokratische jüdische Staat, der gerade um sein Überleben kämpft.

Das sollte den Menschen doch irgendwie zu denken geben. Warum ist das denn so? Warum dieser kleine demokratische Staat, der jetzt in einem Krieg ist, und nicht die großen, gefährlichen, wirklich totalitären Unrechtregime? Und da schließt sich der Kreis: weil es der jüdische Staat ist.

Der 7. Oktober 2023 hat nicht nur ein neues Kapitel in der Geschichte Israels geschrieben, er hat auch das tägliche Leben von Juden und Jüdinnen in der Diaspora weltweit verändert. Ist es überhaupt möglich, zum Zustand vor dem 7. Oktober zurückzukehren?
I Ich befürchte nein. Ich arbeite derzeit an einem Projekt über Antisemitismuserfahrungen und Retraumatisierung deutscher Juden der dritten Generation. Diese Retraumatisierung, die ja ohnehin nie weg war aufgrund der Erfahrung der Eltern, der Großeltern, dieser Transfer kollektiver Trauer und Angst aus den Erfahrungen der Shoah, die für das gesamte jüdische Volk so kennzeichnend ist und die auch auf so wenig Verständnis stößt, diese Retraumatisierung hat im Moment ein Ausmaß angenommen, das man nicht mehr schnell zurückschrauben kann.

Solange man diesen Hass laufen lässt, wie es
derzeit an vielen Universitäten und Akademien geschieht,
wird es immer schlimmer und schlimmer.“
Monika Schwarz-Friesel

Wie zeigt sich diese Retraumatisierung?
I Ich habe beispielsweise in Jerusalem Gespräche mit jungen deutschen Personen und auch mit jungen Israelis, die deutsche Wurzeln haben, geführt und auch eine Online-Umfrage gemacht, bei der ich Emotionen abgefragt habe. Und da sieht man, dass nach dem 7. Oktober die Emotionen Angst, Wut, Verzweiflung, Entsetzen, Frustration, Hoffnungslosigkeit einen großen Peak gemacht haben.

Wir führen dieses Gespräch Anfang Mai, in diesen Tagen wird an das Ende des Zweiten Weltkriegs und den Sieg über den Nationalsozialismus erinnert. Bei Gedenkveranstaltungen ist immer wieder das „Nie wieder“ zu hören. Wie ist dieses Gedenken mit dem Schweigen nach dem 7. Oktober und mit den Genozid-Vorwürfen gegen Israel gedanklich unter einen Hut zu bringen?
I Ich habe bei der Gedenkveranstaltung im österreichischen Parlament gesprochen, und ich muss sagen, diese Gedenkveranstaltung hat mich sehr positiv beeindruckt. Ich wünschte, wir hätten das in dieser Klarheit und Konsequenz in Deutschland. Ich wünschte, wir hätten jemanden wie Ihren Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka. Ich kenne ihn seit Jahren als sehr engagiert. Er redet nicht nur, er macht. Er hat den Simon-Wiesenthal-Preis ins Leben gerufen. Er unterstützt die Tacheles-Ausstellung in der Parlamentsbibliothek. Er hält den Kontakt zur Antisemitismusforschung und interessiert sich wirklich dafür, das merkt man auch an seinen Rückfragen. Dass er gemeinsam mit IKG-Präsident Oskar Deutsch antisemitische Beschmierungen übermalt hat, hat meinen Mann und mich auch sehr beeindruckt. Das ist jenseits der Floskelkultur. So muss es sein. Und ich wünschte, dass auch die deutsche Politikspitze, dass Bundeskanzler Olaf Scholz oder Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier jetzt so Klartext reden würden. Und nicht nur die Bildungsministerin (Bettina Stark-Watzinger, Anm.), die jetzt sagt, es ist unglaublich, was an deutschen Universitäten stattfindet und dass das eine Schande für Deutschland ist.

Stichwort Universitäten: Auch an der Universität Wien kam es zu einem Pro-Palästina-Protestcamp, dieses wurde nach wenigen Tagen von der Polizei geräumt. Die Polizei gab bekannt, man habe sich die dort verbreiteten Parolen angehört und eine inhaltliche Radikalisierung festgestellt, die Versammlung sei nicht mehr mit der österreichischen Rechtslage vereinbar gewesen.
I Das sind ja keine „Pro-Palästina-Camps“, sondern antiisraelische und antisemitische Camps. Wenn sie propalästinensisch wären, würden sie den Terror der Hamas gegen Israel und gegen die eigene palästinensische Bevölkerung verurteilen. Aber zur Räumung des Camps: Sehen Sie, das würde ich mir auch in Deutschland wünschen. Von Deutschland aus wurde geplant, sechs Millionen beziehungsweise noch mehr Juden und Jüdinnen umzubringen. Und dann sehe ich eine Liste von hunderten von Professoren aus Berlin, die sich heute hinter diesen Campus-Antisemitismus stellen, die meinen, man müsse die Studierenden vor Polizeigewalt schützen, nachdem die Freie Uni Berlin wegen der Proteste die Polizei gerufen hatte, was völlig richtig war. Diese Proteste sind nicht gewaltfrei, sie sind volksverhetzend. Diese Menschen wollen nicht debattieren, sondern nur boykottieren und ihren Hass herausbrüllen. Was auf diese Worte folgt, wissen wir aus der Geschichte. Und es ist ja in Berlin schon ein jüdischer Student brutal zusammengeschlagen worden.

Die Frage der Fragen: Wie kann dem Antisemitismus doch noch irgendwie Einhalt geboten werden? Wird das überhaupt je möglich sein?
I Meine Ansätze früher lauteten immer: auf Aufklärung und Argumentation setzen. Jetzt nach dem 7. Oktober gilt umso mehr, was Karl Popper gesagt hat: keine Toleranz für die Intoleranz. Heute würde ich tatsächlich sagen, keinen Jota nachgeben, alle Dimensionen der Staatsgewalt einsetzen, um diese antisemitischen Manifestationen sofort aufzulösen. Das bedeutet nicht nur, Jüdinnen und Juden zu schützen, das bedeutet auch, die Demokratie zu verteidigen und den Hass in unserer Gesellschaft zu bekämpfen. Solange man diesen Hass laufen lässt, wie es derzeit an vielen Universitäten und Akademien geschieht, wird es immer schlimmer und schlimmer. Und die Politik muss hier die entsprechende Verantwortung übernehmen, sie soll sich ihre salbungsvollen Sprüche sparen und stattdessen mit allen Mitteln, die der Staat hat, dagegen vorgehen, damit die Menschen merken, es gibt Konsequenzen, der Staat lässt sich nicht auf der Nase herumtanzen. Das hätte ich früher nicht so gesagt. Aber seit dem 7. Oktober und mit diesen Ausschreitungen muss man auch auf die Repression von Antisemitismus setzen. Es geht nicht anders.


MONIKA SCHWARZ-FRIESEL
ist Antisemitismusforscherin und hat seit 2010 einen Lehrstuhl an der TU Berlin inne. Sie hat mehrere Standardwerke zum aktuellen Judenhass veröffentlicht und ist im Beirat der Antisemitism Studies (USA) und des Journal of Contemporary Antisemitism (UK) sowie Mitglied der Simon-Wiesenthal-Preis-Jury (Österreich). Zuletzt veröffentlichte sie das Buch Toxische Sprache und geistige Gewalt. Wie judenfeindliche Denk- und Gefühlsmuster seit
Jahrhunderten unsere Kommunikation prägen (Attempto Verlag 2022).

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