Blicke aus dem All

Israel ist eines von weltweit 12 Ländern, die Satelliten in die Erdumlaufbahn schießen können. Darunter gibt es ganz unterschiedliche Typen.

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© MOD

Verteidigungsminister Benny Gantz trat stolz vor die Presse. Am 6. Juli hatte Israel den aktuell modernsten eigenen Spionagesatelliten Ofeq 16 mit einer Trägerrakete gestartet. Gantz bezeichnete diesen Start als „außerordentliche Leistung“. Es sei keine Selbstverständlichkeit, dass Israel zum exklusiven internationalen Club mit Satellitenkapazität gehöre. Gantz: „Technologische Überlegenheit und Spionagefähigkeiten sind essenziell für die Sicherheit des Staates Israel. Wir werden die israelischen Fähigkeiten weiter an allen Fronten stärken.“
Abgeschossen wurde der Satellit vom Raketenstartplatz und Luftwaffenstützpunkt Palmachim südlich von Tel Aviv. Ungewöhnlich für derartige Unternehmen war die Himmelsrichtung – nach Westen. Das ist gegen die Erdumdrehung, deren Schwung sonst mitgenommen wird, und bedingt einen um ein Drittel höheren Treibstoffverbrauch. Es ist aber der geopolitischen Lage geschuldet. Nur so fliegt die Rakete in der Startphase nicht über arabische Länder, nur so fallen auch die abgebrannten Stufen ins Meer und schlagen nicht auf Land auf.

»Technologische Überlegenheit und Spionagefähigkeiten
sind essenziell für die Sicherheit des Staates Israel.«

Benny Gantz, Verteidigungsminister

Es war eine dreistufige Shavit-Rakete, die Ofeq 16 ins All transportierte. Sie basiert auf einer militärischen Variante, der ballistischen Rakete Jericho, mit der sich Sprengstoff oder nukleare Sprengköpfe über weite Strecken, sogar interkontinental, verschießen lassen. Doch über diese Waffe breitet Israel eine Decke des Schweigens und der Ungewissheit, ähnlich jener zu Menge und Qualität der eigenen Atomwaffen.
Auch warum Ofeq die Nummer 16 bekam ist unklar. Der letzte gestartete Namensvetter aus dem Jahr 2016 trug die Nummer 11. Experten spekulieren, dass in der Zwischenzeit parallel auch weitere optische Spionagesatelliten entwickelt worden seien, also könnten die Nummern 12 bis 15 durchaus noch in der Pipeline sein.
Bei Ofeq 16 (hebräisch für Horizont 16) handelt es sich um einen militärischen Aufklärungssatelliten des israelischen Verteidigungsministeriums. Er wurde – wie alle anderen Satelliten gleichen Namens – von der Israel Aerospace Industries (IAI) unter Zusammenarbeit mit der Raumfahrtabteilung des Verteidigungsministeriums gebaut. Die optischen Komponenten liefert das Unternehmen Elbit Systems zu.
Nicht zuletzt, weil es auch dem Iran kürzlich gelang, einen Spionagesatelliten in eine Umlaufbahn zu schießen, kommt Ofeq 16 eine besondere Bedeutung zu. So meldete sich etwa nach dem Start Amos Yadlin, ein ehemaliger Luftwaffengeneral und Chef des israelischen Militärgeheimdienstes Aman, zu Wort. Er meinte, Ofeq 16 verleihe Israel besondere strategische und geheimdienstliche Fähigkeiten. Dies sei vor allem bedeutsam „in diesen Tagen, in denen sich eine mögliche Eskalation mit dem Iran abzeichnet“.
Mit seinen eigenen Satelliten und Trägerraketen gehört Israel zu einer ganz kleinen Minderheit von Ländern der Welt, die diese komplexen Techniken beherrschen. Dazu zählen neben den USA, Russland, China, Japan, England, Frankreich, Indien, den beiden Koreas und Iran etwa noch die Europäer insgesamt in Form der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Das Ofeq-Programm wurde 1988 begonnen, und mit Ausnahme von Nummer 8, die mit einer indischen Rakete gestartet wurde, konnte Israel alle selbst hochschießen.
Es hatte freilich eher vorsichtig begonnen, mit einem 55-Kilogramm-Satelliten, der wohl eher Testzwecken diente und schon einige Monate später wieder in der Erdatmosphäre verglühte. Doch Schritt für Schritt wurden die Satelliten leistungsfähiger. Sie lösten sogar eine populärwissenschaftliche Debatte aus, ob man mit ihnen nicht Nummernschilder auf einzelnen syrischen Autos lesen könnte.

Start. Bis auf einen Satelliten konnte Israel alle seine Trabanten selbst hochschießen – so auch Ofeq 16.© MOD

Drei Arten von Satelliten. Doch die Ofeq-Familie ist nicht die einzige Spezies von Datensammlern und Weiterleitern, die Israel hoch über der Erde kreisen lässt. Neben dem Militäreinsatz dienen andere Varianten der Telekommunikation, der Umweltbeobachtung oder der Forschung im schwerelosen Raum. So gehört etwa die Amos-Baureihe zum Typus der Kommunikationssatelliten. Diese werden vom israelischen Fernsehen, aber auch von Telekomunternehmen genutzt – im Land und in einer größeren Region, über den Nahen Osten hinaus etwa bis Afrika.
Amos hält derzeit bei der Nummer 17, und auch hier fehlen davor etliche Nummern, was darauf schließen lässt, dass noch einige vor dem Start stehen. Die Amos-Satelliten werden vom privaten israelischen Unternehmen Spacecom betrieben, das an der Börse in Tel Aviv notiert und vor wenigen Jahren – erfolglos – Gespräche zum Verkauf an ein chinesisches Unternehmen geführt hatte. Gebaut werden auch diese Satelliten von IAI, transportiert werden sie mit Hilfe von Raketen anderer Länder, russischer, amerikanischer oder indischer.
Die dritte Gruppe von Satelliten ist die bunteste. Unter dem Dach der Israeli Space Agency des Wissenschaftsministeriums tummeln sich neben den militärischen Projekten unterschiedlichste zivile, etwa in Zusammenarbeit mit der Universität Tel Aviv oder der Akademie der Wissenschaften. Dazu gehörte etwa Gurwin-Techsat, ein Satellit für Amateurfunker, der ab 1988 12 Jahre lang kreiste. Darunter subsumieren sich die drei Satelliten der Serie EROS (Earth Resources Observation Systems), dabei handelt es sich um kommerzielle Erdbeobachtungssatelliten. Und es gibt eine Reihe weiterer Forschungssatelliten, in Zusammenarbeit mit der europäischen ESA, mit den Niederlanden oder mit Frankreich. Schließlich kreisen hoch über der Erde noch Minisatelliten, die von Studenten oder sogar von Schülern entwickelt worden waren. Israel gilt besonders bei Minisatelliten, die auch kommerziell in den letzten Jahren immer populärer wurden, als wichtiger frühzeitiger Entwicklungsstandort.

Ofeq 16 dient strategischen und geheimdienstlichen Aufgaben. © MOD

Die Fülle an Geräten und Anwendungen kann freilich nicht die Komplexität der Programme verdecken – und auch die damit immer wieder verbundenen Fehlschläge. Denn anders als bei Flugzeugen gibt es im All keine Möglichkeit der direkten Wartung oder physischen Fehlerbehebung. Was nicht funktioniert und nicht vom Boden aus repariert werden kann, wird schnell problematisch für das ganze System. Und auch die Transportwege nach oben sind keineswegs garantiert. So gingen etwa mehrere Ofeq-Satelliten verloren, im Amos-Programm war der spektakulärste Fehlschlag im Jahr 2016 das Verbrennen von Nummer 6 an der Spitze einer Falcon-9-Trägerrakete des privaten SpaceX-Unternehmens von Elon Musk, noch am Boden vor dem Start beim Testlauf der Triebwerke. Zwei weitere versagten im Orbit.
Und auch der bisher ambitionierteste Versuch im All, eine Mondlandung mit einem kleinen unbemannten Gerät, Beresheet, scheiterte im April 2019, als es ungebremst auf der Oberfläche des Trabanten aufschlug. Die Firma hieß SpaceIL und war von israelischen Unternehmern rund um den Softwaremilliardär Morris Kahn initiiert und finanziert worden. Die Hardware kam auch hier großteils von Israel Aerospace Industries.
Deren Monopolstellung ist aber nicht ohne Kritiker im Land. Vonseiten des Rechnungshofes wurde IAI wiederholt als bürokratisch und zu teuer eingestuft, daher wurde zwischendurch gelegentlich in den USA eingekauft, etwa bei Boeing. Dennoch dürfte sich auch in Zukunft an der Schlüsselstellung von IAI wenig ändern. Zu wichtig ist es für Israel, in einer derart entscheidenden Technologie weitgehend eigenständig und in der globalen Spitzengruppe zu bleiben.

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