„Es liegt noch ganz viel Überzeugungsarbeit vor uns“

Vor zwei Jahren berichtete WINA über die bis dahin mangelhafte Aufarbeitung der Provenienz der Objekte des Kammerhofmuseums in Bad Aussee. Offene Fragen gab es dabei vor allem zu den Sammlungen der Familie Mautner, von denen sich Teile bis heute im Museum befinden. WINA fragte bei der Provenienzforscherin Monika Löscher, die seit 2014 Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Ausseer Kammerhofmuseum ist, nach, wie heute der Stand der Dinge ist. Ihr Fazit: Hier wird agiert, „als ob es die Waldheimzeit nie gegeben hätte“.

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Monika Löscher: die Historikerin über Rückschläge und warum noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden muss. © 2024 www.stephanmussil.at

WINA: Sie haben dem Bürgermeister von Bad Aussee sowie dem Museumsverein im September 2022 ein Projekt mit dem Titel Provenienzforschung im Kammerhofmuseum mit Schwerpunkt auf den Sammlungen Konrad und Stefan Mautner vorgeschlagen. Was hätte hier untersucht werden sollen, und warum wurde dem schließlich nicht entsprochen?

Monika Löscher: Dazu muss ich ein wenig ausholen: Im Sommer 2022 kam es zu einem Treffen im Kammerhofmuseum Bad Aussee zwischen der Kommission für Provenienzforschung – unter anderem mit Clemens Jabloner, dem Vorsitzenden des österreichischen Kunstrückgabebeirats, sowie Pia Schölnberger, der Leiterin der Kommission für Provenienzforschung im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, und der Gemeinde Bad Aussee. Dabei ging es um die Frage, wie die beiden Trachtenkammern Mautner in den Bestand der Gemeinde gekommen sind. Seitens der Kommission betonte man die fehlende Zuständigkeit des Bundes. Man diskutierte aber die Möglichkeit, ein Forschungsprojekt einzureichen und um finanzielle Unterstützung, etwa beim Bundeskanzleramt, beim Kunstministerium und Salzkammergut 2024 anzusuchen. Auch wissenschaftliche Expertise innerhalb der Kommission für Provenienzforschung wurde zur Klärung einzelner Fragen in Aussicht gestellt.

Die Gemeinde signalisierte, sich vorstellen zu können, als Projektträger zu agieren. Allerdings braucht es dafür einen Beschluss des Stadtrates. Ich schrieb einen Projektantrag mit dem Inhalt, dass die Bestände des Kammerhofmuseums (der Schwerpunkt liegt bei den Sammlungen von Konrad und Stefan Mautner, aber auch anderen Objekten mit NS-Provenienz) in einer ersten Phase auf ihre Provenienz überprüft werden sollten. In der zweiten Projektphase würden die neuen Erkenntnisse in Vermittlungs- und Kommunikationsprojekte einfließen.

Der Stadtrat entschied jedoch im Oktober 2022, dass der Verein Arbeitsgemeinschaft Ausseer Kammerhofmuseum die Erwerbsgeschichte aufarbeiten solle. Erst nach Vorlage dieser Arbeit würde der Stadtrat entscheiden, welche Schritte allenfalls weiter gesetzt werden.

„Im Jahr 2024, fast 80 Jahre nach Kriegsende,
sollte eine kritische und ehrliche Aufarbeitung
der eigenen Geschichte möglich sein,
auch wenn einem die Ergebnisse nicht gefallen.“
Monika Löscher

Im Frühjahr 2023 erschien schließlich dieser intern erstellte Bericht mit dem Titel Die Trachtensammlung Mautner und ihre Verbleibsgeschichte von 1940 bis 1950. Sie haben dazu umgehend eine Stellungnahme abgegeben. Was waren Ihre Hauptkritikpunkte?

Erstens: Der Erwerb der Trachtenkammer von Stephan Mautner wurde überhaupt nicht thematisiert. Zweitens: Die „Arisierung“ der Trachtenkammer von Konrad und Anna Mautner sowie der Rückstellungsvergleich zwischen Anna Mautner und der Gemeinde über die entzogene Trachtensammlung wurden nur kursorisch gestreift. Drittens: Die Frage, ob die Gemeinde die Sammlung nach 1945 um eine „beträchtliche Kaufsumme“ (Bericht) oder doch um „billiges Geld“ (wie es lange Zeit auf der Website des Kammerhofmuseums stand) erworben hatte, wurde nicht beantwortet. Viertens: Im Bericht fehlt die Erklärung, warum Anna Mautner die erste Rate nicht behalten konnte. Und fünftens fehlt schließlich der Beleg für die Auszahlung der zweiten Rate.

Weitere Recherchen wären aus meiner Sicht daher unbedingt notwendig. Und es hat sich vor allem gezeigt, dass das Heranziehen von externen Forschern und Forscherinnen die bessere Wahl gewesen wäre als eine hausinterne Aufarbeitung. Übrigens gab es nie eine inhaltliche Reaktion auf meine Stellungnahme. Auch weitere Reaktionen wie etwa meiner Kollegin Claudia Spring hat man ignoriert.

 

Dennoch hat Ihnen die Stadt nun im April 2024 mitgeteilt, das Thema Provenienzforschung sei aus Sicht der Stadtgemeinde endgültig abgeschlossen. Warum sträubt man sich Ihrer Ansicht nach so gegen eine fundierte wissenschaftliche Aufarbeitung?

  Ich kann es ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, warum die Gemeinde die Möglichkeit eines drittmittelfinanzierten Forschungsprojektes abgelehnt hat. Noch dazu, wo die Nachkommen von Konrad und Anna Mautner die Bereitschaft signalisiert haben, im Fall, dass es sich tatsächlich um eine unrechtmäßige oder moralisch fragwürde Erwerbung handeln sollte, die Objekte – wie bereits im Volkskundemuseum Wien geschehen – im Museum zu belassen und weiterhin der Öffentlichkeit zu zeigen.

 

Das Salzkammergut ist dieses Jahr „Europäische Kulturhauptstadt“ und bemüht sich um ein weltoffenes Image. Kann man sich da einen solchen Umgang mit dem Thema Restitution und Provenienzforschung überhaupt leisten?

Aus Sicht des Kammerhofmuseums und der Gemeinde, die ja der Museumsträger ist, hat man wohl alles richtig gemacht: Die interne Aufarbeitung komme ja zu dem Schluss, dass die Gemeinde die Trachtensammlung rechtmäßig erworben hat. Dazu kommt das Ressentiment, sich „von denen aus Wien nichts sagen lassen zu wollen“. Im Jahr 2024, fast 80 Jahre nach Kriegsende, sollte eine kritische und ehrliche Aufarbeitung der eigenen Geschichte möglich sein, auch wenn einem die Ergebnisse nicht gefallen. Aber es geht darum, alle Fakten zusammenzutragen und Transparenz in die Geschichte der Erwerbung zu bekommen, schon allein als Zeichen des Respektes der Familie Mautner gegenüber.

 

Was bräuchte es Ihrer Ansicht nach, um auch Regionalmuseen zu einem anderen Umgang mit der NS-Geschichte, aber auch dem Umgang mit Objekten nach 1945 zu verpflichten?

Ich kann nicht sagen, ob eine gesetzliche Verpflichtung analog zum Kunstrückgabegesetz, das die Rückgabe auf Bundesebene regelt, und den diesbezüglichen Landesgesetzen beziehungsweise Landesbeschlüssen auch auf kommunaler Ebene möglich ist. Was allerdings klar sein muss: Von der „Arisierung“ von Kunst- und Kulturgütern profitierten auch kleinere Museen.

Auf alle Fälle liegt noch ganz viel Überzeugungsarbeit vor uns.

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