Hot in the City

Während sich Popidole in faken Wohlfühlsommervideos ölig fröhlich rekeln, klebt der Hund am feuchten Unterschenkel.

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Die Autorin schwitzt. Schwitzen ist der falsche Ausdruck; genaugenommen bildet der Autorinnenkörper eine artgerechte Sintflut, die vom Scheitel ausgeht und sich anschließend biblisch unter den Armen, dann weiter hinab über alle weiteren Körperteile bis hin zu den Füßen verteilt. Sie ist von Kopf bis Fuß auf Hitze eingestellt. Eingestellt sind auch die Fähigkeit, klar zu denken, oder gar sportliche Aktivitäten. Vermutlich müsste die Autorin den ganzen Tag unter einer gnädigen Wassernebelverteilungssäule stehen, in der Innenstadt gibt es einige davon, oder im dritten Bezirk, das wäre sogar näher. Aber es ist heiß, allzu heiß, und die Wohnungstür ist bedenklich weit entfernt, wenn man gerade unter einem tiefgefrorenen Leintuch auf dem Sofa liegt in Reminiszenz an eine römische Orgie, nur abzüglich des Weines, der Trauben und anderer lukullischer Häppchen und der anderen Orgienpartizipierenden. Partizipieren tut nur der Hund, der sich hechelnd an die feuchte Wade drückt und sie mit seinem seidigen Fell ein wenig wärmt. Ein totaler Liebesbeweis! Wenn er dann aufsteht, um ein wenig zu trinken, sieht das belegte Bein aus wie jenes eines gut hormonell ausgestatteten Mannes: haarig, schwarz, glänzend.

Andere Menschen erheben sich wie die Zombies in Michael Jacksons berühmtem Video, wanken auf Straßen und in Schanigärten und prosten sich mit Cocktails zu, die in der Sonne funkeln wie Edelsteine. Andere Menschen kommen auch nicht aus dem hohen Norden. Die Autorin befindet sich zwar seit über vierzig Jahren in Wien, aber ihr Körper ist immer noch auf jenen Breiten- und Längengraden eingebucht, die St. Petersburg entsprechen, und ihre Kindheit ist voller Eisschollenspaziergänge entlang des finnischen Meerbusens. Ach Schollen! Oh Eisberge! Es gibt nicht viele Augenblicke, in denen man sich nach einem trüben, regnerischen Tag sehnt, nach brauner Gischt auf den Meereswellen, Eisregen im Gesicht und der dicken Balaclava (bitte weder mit Babuschka noch mit Balalaika zu verwechseln!), Stacheldraht auf Eis. Eine Zeitmaschine, eine Zeitmaschine, ein Königreich für eine Zeitmaschine! Und wenn es dann doch keine Zeitmaschine wird, so doch bitte wenigstens eine Klimaanlage! Und was diverse hippe Videos anbelangt – von Billy Idol bis Jennifer Lopez –, die einem schweißtreibende sexy Hitzenächte vorgaukeln: Diese miesen Rattenfänger und Rattenfängerinnen! Alle sind da knapp bekleidet, glänzen vor diversen Ölen und Körperflüssigkeiten, sehen dabei tiptop aus und tanzen erotisch und ausdauernd ohne Unterlass. In der Realität sieht es dann so aus: Ein weithin gut olfaktorisch bemerkbarer Mann in Muskelshirt ohne Muskeln, aber mit Schwips, torkelt zum Würstelstand, weiter kommt er nicht. Eine Frau in Netzstrumpfhosen mit aufgerubbelten Oberschenkeln, die ihr einen Cowboygang deluxe verpassen, dazwischen sabbernde Hunde, blindwütige Autofahrer, quengelnde Kleinkinder, die gegen Mitternacht erwachen … DAS ist damit gemeint, wenn die von heißen, schlaflosen Nächten singen! Das und nur das!

Freiheit der Kunst, wird man jetzt einwenden, grenzenlose Freiheit der Kunst! Ich bin sowieso dafür, dass die Kunst frei ist. Ginge es nur vielleicht ein paar Grad kühler? Ich frage für eine Freundin.

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