„Wir betreiben Wettkampf und Breitensport“

Nach 38 Jahren übergab Univ. Prof. Dr. Paul Haber die Präsidentschaft des jüdischen Sportvereins S. C. Hakoah an DI Thomas Löwy. WINA sprach mit ihm über seine sportliche Vergangenheit, seine Pläne für die Hakoah und seine unternehmerische Tätigkeit.

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Tennis und Schwimmen prägten seine Jugend, die Hakoah ist seither wichtiger Teil seines Lebens. Nun auch als deren Präsident: Thomas Löwy © Reinhard Engel

WINA: Herr Löwy, Sie waren zuerst Tennisspieler, dann langjähriger Hakoah-Schwimmer, jetzt wurden sie als Präsident des jüdischen Sportverbandes gewählt. Haben Sie das gezielt angepeilt, oder hat sich das ergeben?
Thomas Löwy: Ja, ich war in der Jugend aktiver Tennisspieler, und, sagt man, auch talentiert. Meinem Ehrgeiz geschuldet – ich war sehr jähzornig –, bin ich dann Schwimmer geworden.

WINA: Schläger zertrümmert?
Schläger zertrümmert, und die Gegner waren immer schuld und haben das zu hören bekommen. Da hat meine Mutter dann entschieden: Ab ins Schwimmbad, dort hört dich keiner. Schwimmen tu ich noch immer, bin aktiv für die Hakoah, auch bei Wettkämpfen. Aber zur Frage selbst: Nein, ich habe es nicht wirklich angestrebt. Ich bin der Hakoah immer verbunden gewesen, und in letzter Zeit sind immer wieder Leute an mich heran getreten, ich möge mich für den Verein engagieren. Letztendlich hat die Emotion entschieden.

WINA: Ihr Vater Herbert war bereits als Wasserballer aktiver Hakoah-Sportler, hat sogar 1945 gemeinsam mit Kurt Blumenfeld die Hakoah wiedergegründet. Ist die Beziehung zum Verein schon als Kind begründet worden?
Ja, ich bin in den Verein quasi hineingeboren worden. Ich bin am Beckenrand aufgewachsen, mein Vater war ja, neben dem Tennis, Wasserballer und Schwimmer. Hakoah war fixer Bestandteil unseres Freizeitprogramms. Ich war dann als Nachwuchsschwimmer durchaus erfolgreich.

WINA: Welcher Jahrgang sind Sie?
1966.

WINA: Das heißt, Sie sind noch voll im Beruf?
Ja, ich bin noch voll im Beruf, habe mich aber aus emotionalen Gründen entschieden, die Führungsrolle zu übernehmen. Das wird eine spannende Reise werden.

WINA: Was sind als neuer Hakoah-Präsident Ihre kurz-, mittel- und langfristigen Ziele?
Kurzfristig muss ich mich einmal orientieren, alle Sektionen kennen lernen. Was ich machen möchte, ist, die administrative Struktur vereinheitlichen. Unsere Sektionsleiter, die alle ehrenamtlich tätig sind, sollen sich mehr auf das konzentrieren können, was ihnen Spaß macht, nämlich den Sport und nicht Protokolle ausfüllen und Administration machen. Da möchte ich schauen, dass wir uns mit Hilfe der EDV besser aufstellen. Das möchte ich einmal kurzfristig erreichen.

„Die Situation ist derzeit sehr
angespannt. Wir haben
schwierige Jahre hinter uns —
nicht zuletzt wegen Corona.“

WINA: Mittelfristig?
Hier müssen wir unterscheiden zwischen den Sportsektionen und dem Fitness- und Freizeit-Zentrum Hakoah. Die Sportsektionen betreiben Trainingssport für Jugendliche, aber auch für die Masters ab 25 Jahren. Ziel ist es, sie zu Wettkämpfen zu entsenden. Das ist unsere sportliche Visitenkarte nach außen. Ein weiteres Ziel ist es auch, den Breitensport, den Freizeitsport und den Gesundheitssport anzubieten. Das Nadelöhr sind derzeit die Trainingsstätten. Wir haben zu wenig Trainingsbahnen für die Schwimmer, wir haben zu wenig Trainingsplätze für die Tennisspieler. Hier eine Verbesserung zu erzielen, ist sicher ein mittelfristiges Ziel. Beim Freizeit- und Gesundheitssport sehe ich ein Potenzial in der jüdischen Gemeinde, nämlich dass der mehr angenommen wird als der Wettkampfsport.

WINA: Stehen einander Wettkämpfe und Breitensport gegenüber?
Nein, wir brauchen beides. Der Wettkampfsport ist die Visitenkarte eines Vereins nach außen, damit wird die Hakoah wahrgenommen. Wir brauchen aber auch den Freizeitsport, weil der schlicht und einfach die finanzielle Basis bietet.

WINA: Sind diese Engpässe, die Sie beim Trainieren erwähnt haben, eine finanzielle Frage, oder gibt es einfach zu wenig Sportstätten in Wien?
Eigentlich beides. Es gibt derzeit in Wien in den Schwimmbädern keine zusätzlichen Trainingsbahnen, weil die Nachfrage von anderen Vereinen so groß ist. Man muss wirklich um die Kapazitäten streiten. Die Nachfrage ist da.

WINA: Wie erwirtschaftet die Hakoah ihr jährliches Budget? Mit Mitgliedsbeiträgen, mit Subventionen von der Kultusgemeinde?
Sowohl als auch. Wir bekommen Subventionen von der IKG, die Situation ist derzeit dennoch sehr angespannt. Wir haben schwierige Jahre hinter uns – nicht zuletzt wegen Corona. Die Energiekrise betrifft Sporthalle und Fitnesszentrum mit ihrem Stromverbrauch extrem stark. Und heuer – und das wird noch kaum wahrgenommen – ist das Sicherheitsthema massiv dazugekommen.

WINA: Wieso erwähnen Sie das in Zusammenhang mit dem Budget?
Ein Drittel der Einnahmen des Fitnesszentrums kommt von der Vermietung der Hallen. Diese können aber derzeit aus Sicherheitsgründen nicht vermietet werden, weil die Sicherheitsbedenken zu groß sind. Wir haben ein No-Go von der Sicherheit bekommen.

WINA: Das bedeutet einen Einnahmenrückgang von einem Drittel?
Definitiv. Wir haben Veranstaltungen absagen müssen.

WINA: Was für Veranstaltungen wären das gewesen?
Sportliche Veranstaltungen, etwa Judo- oder Jiu-Jitsu-Veranstaltungen. Da wären 300 bis 400 Teilnehmer für ein ganzes Wochenende gekommen. Und das waren letztendlich Stammkunden, das kann sich also auch langfristig negativ auswirken. Ich fürchte, dass der Schaden größer ist, als man momentan annimmt.

WINA: Gibt es eine Möglichkeit, das zu kompensieren?
Ich denke daran, etwa für Veranstaltungen der IKG im Haus zu werben, das können unterschiedliche Feiern sein, Geburtstage oder auch Hochzeiten, das wäre von der Sicherheit her akzeptabel.

WINA: Wie viele Menschen arbeiten für die Hakoah – angestellt und als Freiwillige?
Ronnie Gelbard ist Geschäftsführer der Betriebs-GmbH, er hat etwa fünf Mitarbeiter. Im Vorstand sind alle ehrenamtlich, und in den Sektionen bekommen die Trainer bezahlt, je nach Größe der Sektionen.

WINA: Wie viel Zeit, denken Sie, werden Sie für Ihre Arbeit bei der Hakoah aufwenden?
Ich will gar nicht darüber nachdenken.

„Grundsätzlich, ob Verein oder Fitness: Hakoah ist ein für alle
offener Verein. Das wird unter meiner Leitung auch so bleiben.“

WINA: Gehen wir die Sektionen der Reihe nach durch: Wie gut sind diese jeweils bei den Aktiven, den Senioren, beim Nachwuchs? Beginnen wir mit Basketball.
Hier gibt es ein sehr engagiertes Nachwuchsteam, mit der IKG verwurzelt. Spannend wird es, wenn sie älter werden. In der Teenager-Phase entscheidet sich dann, ob sie bleiben. Aber da bin ich guten Mutes, weil sie unter guter Leitung sind.

WINA: Bowling?
Bowling ist letztlich, sorry, eine tote Sektion, derzeit nicht aktiv.

WINA: Judo?
Beim Judo haben wir gerade in der Halle die Jungen trainieren gesehen. Wir haben aber auch Stephan Hegyi, der international als Judoka erfolgreich ist. Er ist Profisportler, mit seinem eigenen Trainer, bekennt sich aber zur Hakoah. Er kann derzeit leider wegen einer Verletzung nicht antreten, hat aber internationales Top-Niveau.

WINA: Er ist also ein Aushängeschild?
Er ist das Aushängeschild. Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass die Hakoah derzeit keine Möglichkeit hat, im Profisport mitzuspielen. Profis professionell zu betreuen, das ist ein anderes Niveau. Wenn ein Hakoah-Mitglied das will und diesen Weg einschlägt, dann sind wir so ehrlich zu sagen, wir können ihn oder sie maximal bis zu einem österreichischen Niveau begleiten.

WINA: Karate?
Derzeit eher bescheiden.

WINA: Leichtathletik?
Wird gerade neu strukturiert. Wir bieten Interessierten an, für sie einen Verein zu finden, in dem sie ihre jeweilige Sportart auch wettkampfmäßig ausüben können. Sie müssen bei einem Verein gemeldet sein, wir machen für die Sportler das Administrative. Hier sind wir dabei, das Laufen zu forcieren, weil das letztlich verbindend sein kann für alle Sektionen, Kondition braucht jeder Sportler.

Thomas Löwy war schon als Schwimmer überaus erfolgreich. Nun setzt er sein gesamtes Wissen für die Visionen der Hakoah an. © Reinhard Engel

WINA: Schwimmen?
Da ist deutlich mehr los. Beim Schwimmen haben wir zirka 200 Mitglieder. Wir sind letztes Jahr in der Nachwuchsklasse Zweiter von Österreich geworden in der Mannschaftswertung, da waren immerhin 50 Vereine am Start. So einen guten jungen Nachwuchs haben wir schon lange nicht gehabt. Ich bin wirklich stolz auf die Truppe. Auch hier wird es wieder im Teenager-Alter spannend, wie sie sich weiterentwickeln. Denn Schwimmen ist ein sehr trainingsintensiver Sport. Die Masters sind auch gut vertreten, traditionell, der Mittelbau fehlt ein bisschen, aber das ist überall so im Schwimmsport.

WINA: Gibt es hier internationale Erfolge?
Auch hier können wir bis zu österreichischen Staatsmeisterschaften das Trainingsumfeld bieten. Wenn jemand Profisport anstrebt, dann können wir nicht mehr mit. Das betrifft etwa derzeit Aviva Hollinsky, die in England trainiert. Sie strebt Höheres an, startet zwar für Hakoah, hat aber dort ganz andere Trainingsmöglichkeiten. Die Schwimmsektion muss nach wie vor auswärts trainieren. Wir haben zwar ein Schwimmbecken, aber das ist für Trainingszwecke zu klein. Der Bau einer eigenen Schwimmhalle – wir hätten sogar ein Grundstück dafür – könnte eine Vision sein. Das müsste dann aber auch wirtschaftlich darstellbar sein, auch im Betrieb.

WINA: Tennis?
Das ist auch eine sehr erfolgreiche Sektion. Die Spieler der Herrenmannschaft sind letztes Jahr Wiener Meister geworden und haben renommierte Tennisvereine wie Park Club und Kalksburg geschlagen. Damit haben wir in der Tennisszene Schlagzeilen gemacht. Da haben wir etwa 150 Mitglieder und können Trainingsstätten auf unserem eigenen Gelände anbieten.

WINA: Tischtennis?
Sie trainieren bei uns in der Halle. Wir haben in Wien Mannschaften in den diversen Klassen, es gibt in der Jugend echte Nachwuchshoffnungen.

WINA: Was bedeutet eigentlich Touristik? Ist das eine Wander-, Skifahrer- und Bergsteig-Sektion?
Das hat eine historische Begründung und hat sich auf die Hakoah-Hütte am Semmering bezogen. Diese wurde „arisiert“, dann zurückgegeben, ist aber inzwischen verkauft. Die Touristik-Sektion ist heute ein Verein außerhalb der Hakoah, der sich mit jüdischen Kulturreisen befasst.

WINA: Wer trainiert eigentlich im Hakoah-Zentrum? Das müssen keine Juden sein, die hier ihr Workouts machen?
Grundsätzlich, ob Verein oder Fitness: Hakoah ist ein für alle offener Verein. Das wird unter meiner Leitung auch so bleiben. Das ist übrigens auch in den Statuten der Hakoah so verankert.

WINA: Gibt es eigentlich spezielle Kurse für religiöse Frauen, die nicht gemeinsam mit Männern sporteln wollen oder dürfen? Turnen oder Fitness?
Das ist eine der vielen Ideen, die ich aufgreifen werde. Wir haben schon im Vorstand besprochen, dass wir auch diese Zielgruppe erreichen wollen. Ob es angenommen wird, liegt dann nicht nur bei uns. Wir wollen für religiöse Frauen und auch Männer an bestimmten Tagen etwas anbieten, aber natürlich können wir nicht den gesamten Betrieb umstellen.

WINA: Das wäre dann etwa ein Abend in der Woche?
Wir sind im Gespräch, ob es Bedarf gibt. Wenn es ihn gibt, schauen wir, dass wir das einrichten können.

WINA: Sie haben schon die Sicherheit angesprochen, Sie hatten als aktiver Sportler bereits Erfahrung mit Bedrohungen und unangenehmen Sicherheitsmaßnahmen, etwa bei der Makkabiade 1993 in Israel. Gibt es derzeit hier Probleme mit dem Antisemitismus im laufenden Betrieb und bei Wettbewerben? Wenn ja, ist das seit dem 7. Oktober schlimmer geworden?
Mir ist nichts zu Ohren gekommen. Ich bin aber erst wenige Wochen in meinem Amt. Natürlich sind die Grenzen fließend: Warum sind Entscheidungen gefallen, die uns nicht passen? Aber da muss man vorsichtig sein, das ist ja nicht alles gleich antisemitisch. Grundsätzlich sind mir keine Beschimpfungen zu Ohren gekommen.

WINA: Was Ihr Berufsleben angeht, so sind Sie studierter Landschaftsökologe. Sie waren lange bei einem großen Garten- und Landschaftsbau-Unternehmen beschäftigt. Als dieses an einen Großkonzern verkauft wurde, haben Sie sich gemeinsam mit zwei Kollegen selbstständig gemacht, mit der Firma Grünwert. Wie funktioniert diese heute?
Es war die beste Entscheidung meines beruflichen Lebens, dass ich mich mit zwei Partnern selbstständig gemacht habe. Die Firma floriert, das Thema Begrünungen und Ökologie ist in aller Munde und spielt uns wirtschaftlich letzten Endes in die Hände. Wir pflanzen mehr als 400 Bäume pro Jahr, begrünen Parkanlagen, Wohnhausanlagen, machen Fassaden- und Dachbegrünung.

WINA: Wie groß ist das Unternehmen, wie viele Beschäftigte haben Sie?
Wir haben derzeit 75 bis 80 Personen Vollzeit beschäftigt. Wir könnten mehr brauchen, aber dem steht der Fachkräftemangel entgegen.

WINA: Was waren oder sind Vorzeigeaufträge? Sie haben ja auch bei der ZPC-Schule und dem Maimonides-Altenheim sowie beim Hakoah-Zentrum mitgearbeitet. Was waren dabei Ihre Aufgaben?
Hier war ich damals als Projektleiter für die Begrünung verantwortlich. Wir sind im B2B-Bereich tätig und machen keine oder kaum private Gärten. Derzeit arbeiten wir an den Begrünungen im MuseumsQuartier, sind am Heldenplatz tätig, im Belvedere-Park und im Innenbereich des Parlaments. Es macht mich stolz, wenn ich durch Wien fahre und die Bäume sehe, die meine Firma gepflanzt hat. Sie werden immer größer.

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